PRIMISSIMA
EIN PRIMA BAUHAUS-BETT AUS STAHLROHR
Die Internatszimmer an der Bundesschule waren spartanisch eingerichtet: ein Doppelschrank (nach einem Entwurf der Bauhaus-Tischlerei vermutlich von der Tischlerei Salzmann aus Berlin ausgeführt – für den Schrank wurden bisher noch keine Entwurfszeichnungen gefunden und auch keine genaueren Ausführungen als die wenigen Anhaltspunkte, die über eine Handvoll Fotos herauszufinden sind), zwei Schreibtische mit jeweils einem Thonet-Stuhl, zwei Hängekonsolen als Nachttische, zwei Waschbecken mit einem Rasierspiegel (ein hinterleuchteter Spiegel von Zeiss-Ikon nach einem Design von Marcel Breuer – wohl das einzige Luxusprodukt im gesamten Zimmer), zwei Thonet-Hocker zur Ablage von Kleidung neben den Betten, eine Garderobe am Eingang, zwei Bettvorleger aus Naturfasern und zwei Bettüberwürfe (Entwürfe aus der Bauhaus-Weberei, von dem bisher nur Vermutungen angestellt, aber keine konkreten Aussagen getroffen werden können) sowie natürlich zwei Betten für die temporären Bewohner.
Bei den Betten handelt es sich um Möbeldesigns der Bauhaus-Ausbauwerkstatt mit der Nummer “sn 8311”. Laut der Baubeschreibung von Hannes Meyer wurde dieses Modell “Primissima” genannt. Die 90 x 190 Zentimeter großen Betten waren eine Kombination aus Stahlrohrgestell mit Kopf- und Fußteil aus Sperrholz – die durch Hannes Meyer aus Effizienzgründen 1929 vorgenommene Vereinigung aller Werkstätten für Interieudesign (Tischlerei, Metallwerkstatt, Weberei) zeigt sich in der Vereinigung der unterschiedlichen Materialien und der Zusammenarbeit aller am Ausbau beteiligten Werkstätten (Metallwerkstatt: Gestell, Tischlerei: Kopf- und Fußteil, Weberei: Tagesdecke und Bettvorleger) in diesem Objekt auch visuell. Das “Primissima” wurde vom Bauhaus in unterschiedlichen Ausführungen angeboten, für 45 Reichsmark pro Stück, was sich mit der Gesamtsumme von 5.369,35 RM für 120 Bettstellen, produziert und geliefert von der Firma Reinhold & Co. aus Berlin mit etwas Nachlass deckt.
Im Archiv der Stiftung Bauhaus Dessau ist noch heute ein Exemplar in schwarz und eines in gelb lackiertem Stahlrohr mit weißen Sperrholzplatten aus der Wohnung Schäfter erhalten. Die Betten in der Bundesschule waren komplett weiß lackiert, was sich mit den an der gegenüberliegenden Wand hängenden Waschbecken einpasste und die Holzmöbelstücke im Zimmer den visuellen Vortritt ließ. Es handelte sich um eine Gemeinschaftsarbeit mehrerer Bauhaus-Werkstätten, ohne dass die beteiligten Gestalter namentlich bekannt wären. Es handelt sich ohnehin um ein für diese Zeit zunehmend handelsübliches Bett und stellt kein besonders innovatives Design dar.
Die Ausgestaltung der Internatszimmer in der Bundesschule des ADGB passte sich der klaren Raumstruktur mit großer Fensteröffnung in Richtung Osten an. Die Verbindung von Natur und Innenraum stand ganz klar im Vordergrund, die Ausgestaltung sollte so schlicht und praktikabel wie möglich ausfallen, um den Aufbau des gesamten Baukomplexes zu unterstreichen und weiterzuführen. Und dieses Prinzip galt nicht nur für die Wohnzimmer der Internatsteilnehmer, sondern zog sich wie ein roter Faden durch alle Gebäudeteile.