Personen
Die Menschen hinter der Architektur
Wir wissen, dass neben Hannes Meyer und Hans Wittwer noch zahlreiche Bauhaus-Studierende an der Planung und Ausführung der Bundesschule beteiligt waren: Arieh Sharon, Hermann Bunzel, Wera Meyer-Waldeck, Anni Albers, Lotte Beese, Thomas Flake, Konrad Püschel, ... um nur einige von ihnen namentlich zu erwähnen. Die Bauhausforscherin Dr. Anja Guttenberger geht hier auf Spurensuche nach den Architekt*innen und Designer*innen, die das Bauhausensemble in Bernau zu dem gemacht haben, was es heute ist: ein herausragendes Bauwerk der Moderne.
Hannes Meyer
Der "rote" Bauhaus-Direktor
Der Schweizer Architekt Hannes Meyer wurde 1928 Walter Gropius' Nachfolger am Bauhaus. Er war schon ein Jahr zuvor mit seinem Baubüro-Partner Hans Wittwer aus Basel an das Dessauer Bauhaus gekommen, um die lang ersehnte Architekturklasse aufzubauen. Mit seinem Direktorat kehrte frischer Wind am Bauhaus ein. Leben und die Organisation der Werkstätten wurden liberaler und offener für alle Bauhaus-Studenten. Endlich konnten auch die Frauen frei entscheiden, in welcher Werkstatt sie nach dem pflichtmäßigen Vorkurs ausgebildet werden wollten. Die Struktur der Werkstätten wurde nur noch in Bau- und Ausbauabteilung unterteilt, was die angestrebte gemeinsame Arbeit aller Bauhaus-Werkstätten an einem Bauwerk betonte. Als Meyer 1928 mit seinem Wettbewerbsbeitrag für die ADGB-Bundesschule in Bernau den 1. Platz gewann und somit den Auftrag zu Planung und Bau erhielt, stand für ihn fest, dass dieses Bauwerk sein erstes (und einziges) Bauhausprojekt werden sollte, das diese für Meyer als ideal angesehene Arbeit im Kollektiv verwirklichen sollte. Ein ehrgeiziges Projekt, erfolgreich umgesetzt. 1930, nur drei Monate nach der Eröffnung der Bundesschule am 4. Mai, wurde Meyer aufgrund seiner offen linkspolitischen Haltung vom Dessauer Magistrat in Abwesenheit gekündigt.
Wera Meyer-Waldeck
BAUHAUS-DESIGN FÜR DIE BUNDESSCHULE
Wenn wir ins Innere der Schule schauen, bleiben viele Fragen offen und die offensichtlichste davon ist: Wieviel Bauhaus steckt im Bauhaus? Nach einigen Recherchen ist klar, dass auch für die Innenausstattung der Bundesschule — einem Schulungsort für Gewerkschaftsfunktionäre — ein Bauhäusler verantwortlich war, genauer: eine Bauhäuslerin, nämlich Wera Meyer-Waldeck. Ein Name, der bisher eher wenig Beachtung in der Literatur über Bauhausdesign fand. Während eines Außensemesters arbeitet sie im Berliner Baubüro von Hannes Meyer, plant und entwirft die Innenausstattung der Bundesschule für den ADGB.
Konrad Püschel
Als Praktikant auf der Bernauer Baustelle
Mit der ADGB-Bundesschule in Bernau konnte Hannes Meyer seine Idealvorstellung davon verwirklichen, wie Lehre und Praxis am Bau vereint werden können. Dazu gehörte nicht nur die Beteiligung von Bauhaus-Studenten an der Planung des Bauensembles, sondern auch die Beschäftigung von Studenten am Bauvorhaben selbst. Konrad Püschel war einer von ihnen. Im Frühjahr/Sommer 1929 arbeitete er auf der Bernauer Baustelle als Maurer- und Zimmermannspraktikant.
Arieh Sharon
Vom Kibbuz ans Bauhaus
Als Arieh Sharon mit 26 Jahren ans Bauhaus in Dessau kam, war er bereits Architekt. Er wurde einer von Hannes Meyers vertrautesten Studenten und engsten Mitarbeiter. Als Meyer 1928 den Architekturwettbewerb um die Bundesschule für den Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB) gewann, bestimmte er Sharon zum Bauleiter für die dazugehörigen Lehrer- und Angestelltenwohnhäuser. Nach Hans Wittwers Weggang vom Bauhaus und vom Bernauer Schulprojekt im Frühjahr 1929 übertrug Meyer Sharon sogar die gesamte Leitung des Berliner Baubüros, das eigens zur Planung und Ausführung der Bundesschule eingerichtet worden war. 1931 kehrte Scharon nach Palästina zurück und wurde zu einem der renommiertesten Architekten bei der Planung und Errichtung des neuen Staates Israel.
Hans Wittwer
Der "unbekannte" Bauhaus-Architekt
Hans Wittwer kam 1927 gemeinsam mit Hannes Meyer ans Bauhaus in Dessau. Als Meyer zum Direktor aufstieg, übernahm er die Architekturklasse und führte grundlegende Veränderungen ein: Vor der eigentlichen Planung von Bauwerken hatten seine Studenten Analysen zum Standort, dem Lauf der Sonne und den Bedürfnissen der zukünftigen Bewohner anzufertigen. Die Ergebnisse wurden grafisch in Diagramme umgesetzt. Grundrisse, Lagepläne und Baukörper wurden aus diesen Diagrammen direkt abgelesen und "übersetzt". Hans Wittwer ist der "unbekannte" Bauhaus-Architekt, denn zeitlebens verschwieg Meyer den Anteil seines Partners an der Planung der Bundesschule. Erst in seinem Nachruf auf Wittwer nach dessen Tod im Jahr 1952 deutete er Wittwers Mitarbeit in Bernau an. Daei war es Wittwer, der nächtelang mit den Bauhaus-Studenten über den Plänen für den Wettbewerb gebrütet hatte, das Berliner Baubüro von Meyer leitete und nach Bernau hinausfuhr, wenn nötig. Letztlich kündigte Wittwer aus diesem Grund seine Stelle am Bauhaus und ging an die Burg Giebichenstein in Halle/Saale, wo er die Anerkennung für seine Arbeit bekam, die ihm von Meyer verwehrt wurde.